Spanien: Skandale und Kloaken, wohin man schaut

Isabel Diaz Ayuso, Regierungschefin der autonomen Region Madrid von der PP, kam unfreiwillig dem in Korruptionsskandalen versinkenden Regierungschef Sánchez zu Hilfe, als aufkam, dass sie mit einem Steuerhinterzieher liiert ist. Bild: PPMadrid/CC BY-2.0

Spanien ist und bleibt für die meisten Deutschen das Land sonniger Strände, der Paella, von Real Madrid und von Mallorca (obwohl dieses „Malle“ genannte Urlaubsparadies von vielen Deutschen ja inzwischen als eine Art überseeische Fortsetzung Deutschlands betrachtet wird). In Spanien dagegen, sei es in seinen Straßencafés, seinem Parlament und seinen Medien, gibt es seit Jahren, ja Jahrzehnten, ein Hauptthema: die Korruption. Nach einer Statistik wurden seit Beginn 90-er Jahre landesweit 588 von den überregionalen Medien aufgegriffene Korruptionsskandale gezählt, in die 3848 Personen verwickelt waren. Nur die spektakulärsten, wie der um Rodrigo Rato, Vize-Regierungschef in den Rechts-Regierungen von José María Aznar und später Chef des IWF, oder die „Operation Kitchen“, die zum Sturz der Regierung von Mariano Rajoy führte, fanden in einigen deutschen Leitmedien Erwähnung. Nach Berichten über diese Sensations-Skandale hinaus muss man suchen: etwa zum Fall Bárcenas oder Zaplana. Immerhin fand einer der im folgenden  angesprochenen Skandale, der die aktuelle sozialistische Regierungspartei PSOE betrifft, in die Tagesschau.

Vor vier Jahren, im Juli 2021, ging ein kurzes Beben durch die politische Landschaft in Spanien: Der Regierungschef Pedro Sánchez entließ José Luís Ábalos, Minister für Verkehr, Mobilität und Stadtagenda und ersetzte ihn durch Raquel Sánchez. Gleichzeitig verlor Ábalos seinen Posten als Sekretär für Organisation, eine Schlüsselfunktion in der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE. Er blieb aber Vorsitzender der Kommission für Inneres im spanischen Parlament. Seine politische Aktivität begann Ábalos in seiner Jugend, und zwar in der kommunistischen Partei. Genauere Gründe für diese Entlassungen wurden nicht bekannt. Im Hintergrund wurde von einem Doppelleben von Ábalos gemunkelt: Er wurde im Nachtleben gesichtet, auch in zweifelhaftem Milieu und in zweifelhafter Gesellschaft.

Zum zwielichtigen Umfeld von Ábalos gehörte sein persönlicher Assistent und Chauffeur Koldo García Izaguirre, dem der Ruf eines etwas gewalttätigen Türstehers in Nachtclubs vorausging. Eins seiner Hobbys: alle möglichen Gespräche speichern. So fanden sich später auf den von der Polizei teilweise sichergestellten Datenträgern Beweise für seine Zugehörigkeit zu einem kriminellen Netzwerk, zu dem auch sein Chef José Luís Ábalos gehörte. Dieses kriminelle Netzwerk organisierte staatliche Aufträge im Umfang von vielen Millionen Euro für COVID-Masken. Ábalos selbst bereicherte sich an den Provisionen der liefernden Firmen. Nach dem Stand der Ermittlungen versorgten ihn diese Firmen außerdem mit Prostituierten und sogar mit einem Apartment für die Treffen mit den „Sexarbeiterinnen“.

Aber es kommt noch besser: Nach sorgfältiger Prüfung wählte Pedro Sánchez nach der Entlassung von Ábalos als neuen Sekretär für Organisation der sozialistischen Partei Santos Cerdán aus, der zur „rechten Hand“ von Pedro Sánchez aufstieg. Als Mann seines Vertrauens führte er die Verhandlungen mit Carles Puigdemont in dessen belgischem Exil und gewann am Ende die Stimmen von dessen Partei Junts für die Wahl von Pedro Sánchez zum Premierminister.

Aber wie das Pech so spielt: Der Ex-Türsteher Koldo brachte Audios von seinen Datenträgern in Umlauf, die zeigten, dass auch Cerdán zu einem kriminellen Netzwerk gehörte. In seinem Fall handelte es sich um Unternehmen aus dem Bausektor, die gegen hohe Bestechungsgelder üppige Regierungsaufträge an Land zogen. Cerdán sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, während sein Vorgänger Ábalos dank seiner Immunität als Abgeordneter im spanischen Parlament (der er trotz seines Ausschlusses aus der sozialistischen Partei immer noch ist) noch auf freiem Fuß ist.

Die sozialistische Partei PSOE fiel daraufhin erst einmal in Schockstarre. Alles sah nach einem endgültigen „knock-out“ für Pedro Sánchez und seine Regierung aus: Zwei derartige Missgriffe bei der Auswahl seiner engsten Mitarbeiter, die obendrein noch möglicherweise zur gleichen „kriminellen Seilschaft“ gehörten. Pedro Sánchez übernahm vor dem Parlament die Verantwortung, räumte persönliches Versagen ein und bat Abgeordnete und Bürger um Verzeihung. Und die Rechtspartei blies zum letzten Gefecht, zur Rettung Spaniens aus dem sozialistischen Korruptionssumpf. In einer Art Bilanz stellte Pedro Sánchez vor den Abgeordneten die zwei aktuellen Korruptionsfälle der Sozialisten den Hunderten von Korruptionsfällen der letzten Rechtsregierung gegenüber, die schließlich zu deren Sturz führten.

Die bisherigen Unterstützer der Mitte-Links-Regierung reagierten zwar entsetzt und fassungslos auf die beiden Skandale, widerstanden aber dem Druck der Rechtspartei zur Beteiligung an einem Misstrauensvotum, angesichts der Alternative: eine Regierung unter ihrem Parteivorsitzenden Alberto Núñez Feijóo (nebenbei gesagt jahrelanger Freund des Drogenbosses Marcial Dorado) aus Rechtspartei und Faschisten.

Dann plötzlich kam der Zufall Pedro Sánchez zu Hilfe: Mitten in das Trommelfeuer von rechts platzten mehrere Nachrichten: Nachdem die Staatsanwaltschaft bereits vor längerem 15 Jahre Haft für José Fernández Díaz beantragt hatte, Innenminister der letzten Rechtsregierung unter Rajoy und Vater der „Kloaken“, der geheimen „politischen Polizei“ zur Verfolgung politischer Gegner, wurde jetzt auch noch Cristóbal Montoro, Finanzminister der letzten Rechtsregierung, angeklagt, wegen Korruption und Verfolgung politischer Gegner mittels erfundener Steuervergehen. Einige Tage lang halfen die rassistischen Ausschreitungen gegen Marokkaner in Torre Pacheco (Murcia), von diesen neuen Skandalen der Rechtspartei abzulenken. Diese Spannungen ist man in Spanien in den Sommermonaten aber fast gewohnt, wenn marokkanische Saisonarbeiter in diese Regionen strömen, um bei der Ernte zu helfen. Allerdings wurden die Ausschreitungen dieses Jahr von rechtsradikal-faschistischen Kräften befeuert. Die meisten „Moros“ (Marokkaner) pflegen dann im Herbst in ihre Heimat zurückzukehren. Inzwischen ist das Thema aber ausgereizt und wieder aus den Schlagzeilen verschwunden.

Am gleichen Tag kommt eine weitere Nachricht, ein Schuss vor den Bug von  Isabel Ayuso, Regierungschefin der autonomen Region Madrid und Hoffnungsträgerin der spanischen Rechten: Es wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft für Alberto González Amador, Lebenspartner von Isabel Ayuso, wegen Steuerhinterziehung und krimineller Geschäfte drei Jahre und neun Monate Haft beantragt hat. Isabel Ayuso, als Alternative zum inzwischen recht „verschlissenen“ Feijóo, hatte nach dem Vorbild von Donald Trump eine Kampagne gestartet, die die Ermittlungen gegen ihren Partner als „Hexenjagd“ anprangerte. Bisweilen tut auch die für ihre regierungsfeindliche „lawfare“ berüchtigte spanische Justiz ihre Arbeit. Die Hoffnungsfrau der Rechten mit einem Straftäter liiert: keine guten Aussichten für eine Zukunft als spanische Regierungschefin.

Eckart Leiser

Eckart Leiser, Prof. Dr., ist Privatdozent an der Freien Universität Berlin und arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis in Saragossa (Spanien). Seine Arbeitsschwerpunkte sind die epistemologischen Grundlagen der Psychologie sowie strukturale Anthropologie und Psychoanalyse. Lehrtätigkeit in Frankfurt, Berlin, Mexiko-Stadt, Wien, Madrid, Saragossa und Buenos Aires.
http://userpage.fu-berlin.de/~leiser/
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21 Kommentare

  1. Bei den Diäten und Krediten (Span), welche deutsche Abgeordnete in den Allerwertesten gesteckt bekommen, plus der Jobs in der Wirtschaft nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik, brauchen sie sich in Deutschland nicht bestechen zu lassen.
    Und warum es problematisch ist, wenn der Freund Steuern hinterzieht, erschließt sich mir nicht. Haben wir jetzt wieder Sippenhaftung?
    Außerdem werden in Deutschland erfolgreich Steuerfahndungsteams aufgelöst.
    Da die Beamten das wissen, lassen sie die Finger von den Wohlhabenden.
    Deutschland ist ein Sumpf, in dem der eventuell früher einmal vorhandene Rechtsstaat abgesoffen ist.
    Wer sich als Deutscher über spanische Politiker mokiert, sollte sich an die eigene Nase fassen.
    Wieviele Milliarden hat Habeck in den Sand gesetzt?
    Und nebenbei bemerkt ist die deutsche Staatsanwaltschaft vom jeweiligen Justizminister abhängig. Wenn der nicht will, wird nicht ermittelt, oder wie bei dem Querdenker, dass das Finanzamt mal eben was erfindet.
    Der hat z.B verhindert, dass wegen des ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, den man unter mysteriösen Umständen tot in einer Schweizer Badewanne fand, überhaupt ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde..

    1. „Wer sich als Deutscher über spanische Politiker mokiert, sollte sich an die eigene Nase fassen.“
      So sollte es sein, wir sollten uns zunächst an die eigene Nase fassen und den Dreck vor unserer eigenen Haustür beseitigen.

      „Böse Menschen brauchen nichts weiter, um ihre Ziele zu erreichen, als dass gute Menschen zusehen und nichts tun.“
      James Stuart Mill, 1867

    2. @ bonnie

      Genau, es echauffiert sich eben einfacher über Andere, in diesem Fall die Spanier, als sich selbst den Spiegel vorzuhalten.

      Zukünftig wird sich Kritik noch weiter auf das Ausland konzentrieren, weil so wenigstens kein Verdacht erregt wird, die Staatsräson daheim zu ver- bzw. zersetzen…

  2. Also hier in Deutschland wäre das alles völlig normal und es würde kein einziger Ermittler da seine Nase hineinstecken. Selbst wenn, wie in BW, Hochrangige Politiker mit Hochrangigen Mafiosi gemeinsam Essen gehen, ist das völlig normal und kein Grund dafür jemanden zu belästigen. Dafür haben wir doch die ganzen Parteisoldaten als Richter und Staatsanwälte.
    In Deutschland wird erst ein Korruptionsverfahren ernsthaft betrieben wenn ein Notariell beglaubigter Korruptionsvertrag vorliegt, ansonsten alles nur Vermutungen und nichts zählt als Beweis.
    Immerhin kann man in diesem totalitären Staat, wenn man eine Uniform anhat, auch Leute aus kurzer Distanz von hinten Erschießen und die Unterschichtenjustiz findet das so etwas immer noch Notwehr ist.
    Liegt wohl an den Ausbildern, die aus einer Justiz stammten für die das Mörderische Treiben der Polizei noch normal war. Heute denken diese Furchtbaren Juristen nicht anders als zu Zeiten Hitlers und Himmlers.

    1. Mein Verdacht ist, dass der Autor hier an einer antispanischen Verschwörung arbeitet, womit er von den viel schlimmeren Zuständen in Deutschland ablenken will. Vorsicht!

      1. @ Eckbert Malz
        „Mein Verdacht ist, dass der Autor hier an einer antispanischen Verschwörung arbeitet, womit er von den viel schlimmeren Zuständen in Deutschland ablenken will. Vorsicht!“

        Völliger Mumpitz – und das gleiche „Schwarz Weiß Lagerdenken“, welches wir sonst so gerne kritisieren und zurecht anprangern.

        Was suchen Sie? Eine Blase bzw. ein Sprachrohr, welches sich ausschließlich auf die Kritik der deutschen Verhältnisse konzentriert und quasi als Beweiß hierfür die Verhältnisse andernorts verschweigt oder gar realitätsfern umkehrt? Dann brauchen Sie nur den Mainstream verinnerlichen und stehts vom Gegenteil ausgehen. Und schon sind Sie der große Durchblicker bzw. der Checker! As simple as that?

      2. Ich bin mir sicher, Sie können diesen angedachten „Verdacht“ in keiner Weise substantiell belegen.
        Insofern: Einspruch!
        Der Autor beschäftigt sich seit Jahren mit den verschiedenen politischen Themen auf der iberischen
        Halbinsel, liefert dies sachlich einwandfrei, informativ und unaufgeregt im Gegensatz zu anderen
        hier auch vertretenen Autoren, der/die sich insbesondere an dem „Spezialdemokraten“ Pedro Sánchez
        abarbeiten.
        Den Autor finden Sie als jahrelangen Bericherstatter u.a. bei den NDS. Wenn Sie mit einer ähnlichen
        unaufgeregten Persepektive in Kontakt treten wollen, dann empfehle ich Reiner Wandler, der seit über
        25 Jahren in der TAZ über Spanien, P und Nordafrika berichtet.

  3. Ein europaweites Phänomen. Hab zur Zeit der Großen Pestilenz gar nicht zählen können, wieviele deutsche Politiker plötzlich im Maskengeschäft waren…

    Aber das große Geschäft hatte ja die Uschi. Leider sind die Belege verschwunden. Software. Da kann man nichts machen.

  4. korrupt? ach so was… und das in der westlichen Wertegemeinschaft?
    das kann ich nicht glauben… (satire ende) auch die Ukrainer, unsere Verteidiger der -was auch immer…der arme Präsident, wie hieß der Propaganda Film noch „Der Diener des Volkes“ … in einer US Zeitschrift haben sie geschrieben
    „Der Betrüger des Volkes“…und jetzt plötzlich?
    https://www.dw.com/de/ukraine-gro%C3%9Fangelegtes-korruptionssystem-aufgedeckt-korruption-nabu-sap-selenskyj-v3/a-73511576
    wo schon 2014 die Ukraine hinter den korruptesten Ländern … ach ich muss …warum tun die es

  5. Ist mal wieder typisch. Worüber stolpern Politiker? Über Sexskandale und Steuerhinterziehung, bestenfalls noch Vorteilsnahme im Amt. Natürlich alles bestenfalls in Millionenhöhe. Doch der Elefant im Raum wird mal wieder nicht gesehen.
    Hunderte von Milliarden werden für sinnlose Aufrüstung regelrecht verpulvert, völlig sinnlose Projekte zur angeblichen Rettung des Klimas verbraten weitere Milliarden und sind obendrein höchst energieineffizient. Pandemien geben sich die Klinke in die Hand mit weiteren Milliarden Geldvernichtung. Und Bildung und Soziales wird gekürzt.
    Aber gut, dass wir die kleinen Skandälchen haben. Da kann sich das Volk so richtig dran aufregen.

  6. Üblicherweise sage ich, dass die freie Presse der ärgste Feind der Korruption sei. Hier in Spanien hat die Presse ihre Arbeit durchaus getan und 588 Skandale aufgedeckt. Aber das bleibt folgenlos. Polizei und Justiz sind nach wie vor in den Händen der alte Seilschaften aus der Francozeit. Eigentlich denkt man ja, dass die sich in 47 Jahren irgendwie auflösen müsste. Nein, solche Strukturen sind stabil.
    Im Vergleich dazu stehen wir noch gut da. Solche Ausmaße hat es nicht wie in Spanien. Allerdings gibt es das auch. Mal als Beispiel die Maskenaffären (noch ohne Spahn). Nur eine einzige Verurteilung. Allerdings großer Schaden bei den Wahlen für die CDU:
    https://x.com/search?q=pallywood&src=typed_query

  7. Sobald sich in einer Gesellschaft Menschen, ohne jegliche Konsequenzen fürchten zu müssen, bereichern können, werden sie es tun.
    Das gilt besonders für fragmentierte, heterogene Gesellschaften, die sich aus unterschiedlichen Klassen/Schichten, oder Ethnien zusammensetzen, die andere Wertvorstellungen und Normen für geltend machen. Das zeigt sich natürlich auch in der Politik, wenn eine Gruppe, egal ob Ethnie oder Partei, auf allen Machtebenen präsent ist, werden sich die Mitglieder bedienen, wo es möglich ist, egal ob in Afrika, der UDSSR, Spanien oder Bayern. Wie war das mit den Amigos?

  8. Der Unterschied zwischen Spanien und Deutschland ist der, dass Korruption in Deutschland deutlich seltener auffällt. Außerdem verhält sich das Strafmaß umgekehrt zur Höhe der Zuwendungen und wenn du einmal too big to fail bist, kannst du die 3 Monate auf Bewährung auch relativ entspannt aussitzen, wenn du dafür die versaute Grundeinstellung mitbringst, die du erst entwickeln musst. Bei uns fällt das B-Vitamin vielleicht seltener auf, ist aber ebenso omnipräsent.

  9. Wie immer ein unaufgeregter Beitrag des Autors mit ein paar nützlichen links zu den derzeitigen spanischen
    Befindlichkeiten. DANKE !

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